Die Beschreibung von vier Kriyas (Reinigungsübungen)
Die Beschreibung von vier Kriyas | Reinigungsübungen
Kriyas, auch Sat Karmas genannt, unterstützen den Körper bei der Ausscheidung von Fremdkörpern, Stoffwechselprodukten und Schlacken. Hier nun sollen vier oft praktizierte Kriyas beschrieben werden: Jala Neti, Trataka, Kapalabhati und Uddiyana Bandha Rajas, die Vorstufe zu Nauli.
Jala Neti ist die Reinigung der Nase und ihrer Schleimhäute. Natürlich besitzt die Nase einen Selbstreinigungsmechanismus, das Niesen. Diese Methode ist jedoch nicht immer erfolgreich, da unsere Atemluft aggressive Bestandteile wie Feinstaubpartikel, Pollen, Bakterien, Viren et cetera besitzt. Im schlechtesten Falle können sich Allergien oder Entzündungen entwickeln. Zum Praktizieren von Jala Neti benötigt man eine Nasenspülkanne, Neti Lotta genannt, und körperwarme isotonische Kochsalzlösung (circa ein Teelöffel Salz ohne Rieselhilfe und Jod auf einen Liter Wasser). Das Salz besitzt desinfizierende Wirkung. Neti Lotta ähnelt einer Schnabeltasse mit langer Tülle. Man beugt den Oberkörper vor, neigt den Kopf nach rechts, öffnet den Mund, um den Kehlkopf geschlossen zu halten und setzt die gefüllte Neti Lotta am linken Nasenloch an. So kann der Inhalt der Nasenspülkanne durch das linke Nasenloch hinein und das rechte Nasenloch heraus laufen. Während der Prozedur atmet man durch den Mund ein und aus. Hernach wird zur Spülung der anderen Seite gewechselt. Anschließendes Verweilen in Dharmikasana lässt restliches Wasser aus Nase und Nebenhöhlen fließen. Um Jala Neti wirkungsvoll zu beenden, schließt man eine Nasenwechselatmung und Bastrika an. Die Nasenspülung bewirkt, dass der Geruchssinn feiner und der Atem freier werden. Vor allem aber verbessert sich die Aufnahme von Prana, der Lebensenergie, über Ida und Pingala Nadi. Der Ayurveda empfiehlt, die Nasenlöcher im Anschluss mit Ghee (Butterreinfett) zu benetzten. Das hält die Nasenschleimhäute geschmeidig. Der kleine Finger ist dafür das beste Werkzeug.
Unter Trataka, der Reinigung der Augen und des Nervensystems, versteht man das Starren auf ein bestimmtes Objekt, ohne dabei mit den Augenlidern zu zwinkern. Als Objekt können zum Beispiel dienen: ein Mandala, eine Blume, der Daumen oder die Flamme einer Kerze. Der durch das Starren hervorgerufene Tränenfluss hilft, das Auge und die Tränenkanäle zu säubern. Speziell für Menschen, die viel am Bildschirm arbeiten oder aus anderen Gründen unter trockenen Augen leiden, ist diese yogische Technik sehr hilfreich. Die Funktionsfähigkeit des Auges ist nur gewährleistet, wenn es genügend Feuchtigkeit besitzt und ihm ausreichend Sauerstoff zur Verfügung steht. Der Sauerstoff wird unter anderem in den Augenmuskeln benötigt, die durch An- und Entspannung für die Bewegung des Auges in verschiedene Richtungen und für die Form des Augapfels verantwortlich sind. Je besser diese Muskelgruppe funktioniert, desto höher ist die Sehkraft. Auch können sich Stress und Müdigkeit negativ auf die Sehkraft auswirken. Trataka ist nicht nur Reinigungstechnik sondern auch Konzentrationsübung, die gut gegen Müdigkeit und Kopfschmerz, zur Erhöhung der Konzentrationsfähigkeit und bei der Sammlung des Geistes hilft. Zur Ausführung von Trataka begibt man sich in einen angenehmen und aufrechten Sitz. Das Objekt zum Beispiel eine Kerzenflamme sollte sich in circa einem bis zwei Metern Entfernung und in Augenhöhe befinden. Der Atem fließt gleichmäßig. Man richtet den Blick für etwa eine Minute auf das Objekt, ohne dabei zu zwinkern. Das erfordert eine gewisse Körperbeherrschung und Konzentration. Einige Hindernisse wie ein Druckgefühl oder das Brennen des Auges können vor dem Einsetzen des Tränenflusses auftauchen. Nach Eintritt des Tränenflusses werden die Augen zur Entspannung geschlossen. Dieser Ablauf kann mehrere Male wiederholt werden. Der anschließende Übergang in eine Meditation zum Beispiel auf das Leuchten, die Kraft und die Wärme der Kerzenflamme ist empfehlenswert.
Eine weitere Reinigungstechnik ist Nauli, die Reinigung der Bauchorgane. Hier wird speziell auf Uddiyana Bandha Rajas Bezug genommen. Schwangere und Menschen mit Bluthochdruck sollen diese Kriya nicht ausführen. Uddiyana Bandha Rajas ist eine hervorragende Methode, um den inneren Organen eine Massage angedeihen zu lassen. Das regt unter anderem die Verdauung an und reguliert den Appetit. Durch die Lenkung der Energie in den Solarplexus ist es möglich, das vegetative Nervensystem zu stärken. Ebenfalls werden die Funktionen von Nieren und Bauchspeicheldrüse positiv beeinflusst. Die beste Zeit für Uddhiyana Bandha Rajas ist der frühe morgen mit nüchternem Magen. Dazu stehen die Füße circa 50 Zentimeter voneinander entfernt und parallel. Die Knie sind leicht gebeugt, wobei die Hände auf den Oberschenkeln abgestützt werden. Die Wirbelsäule befindet sich in ihrer natürlichen Doppel-S-Form. Vorbereitend atmet man tief durch die Nase ein, durch die Nase aus und stößt den Rest der Atemluft durch den Mund aus. Die Lunge wird so bestmöglich leer gepumpt und das Zwerchfell besitzt seine größtmögliche Wölbung. Die geraden Bauchmuskeln, Musculi recti abdominis, sind weit nach innen gezogen. In der Atemleere, Sunyaka, wird dann die Bauchmuskulatur gelockert und rhythmisch 10 bis 30 Mal ein und aus bewegt. Vor dem Einatmen entspannt man die Muskulatur des Bauches, der Schultern und des Beckenbodens. Nach dem Praktizieren von Uddhiyana Bandha Rajas spürt man meist angenehme Wärme in der Körpermitte die sich über den gesamten Körper ausbreitet. Schon allein das Wissen, um die verdauungsfördernde Wirkung, gibt ein gutes Gefühl für den Start in den Tag.
Eine im Yoga besonders wichtige Reinigungstechnik ist Kapalabhati, was in der Übersetzung so viel bedeutet wie „Schädelleuchten“. Kapalabhati fördert die Durchblutung des Gehirns, aktiviert so die grauen Zellen, Verbessert die Gedächtnisleistung, wirkt positiv auf die Funktion der Sinnesorgane und bringt Energie zum Kronenchakra, dem Sahasrara Chakra. Es sorgt für Licht und Klarheit im Gehirn und ist damit eine gute Vorbereitung auf alle geistigen Aktivitäten des Tages wie zum Beispiel das Lernen, das Lesen und das Lehren. Visualisiert man während des Übens den Prana-Fluss durch das Gehirn, die Drüsen und Chakras, so hat das eine positive Wirkung auf die Kontrolle der fünf Grundelemente: Erde – physische Materie, Wasser – Rückenmarksflüssigkeit, Feuer – Nerven, Luft – Luftdruck im Gehirn und Äther – Energie des Gehirns. Zur Ausführung von Kapalabhati nimmt man einen angenehmen und aufrechten Sitz ein. Die Beckenbodenmuskulatur ist während des gesamten Übens aktiv, um den unteren Rücken stabil zu halten. Auf den Oberschenkeln ruhen die zum Chin Mudra geformten Hände. Die Gesichtsmuskeln sollen während es Praktizierens möglichst entspannt sein. Ein Buddha–Lächeln entsteht auf dem Gesicht. Das Zwerchfell steuert aktiv die Atmung, wobei der Fokus auf der Ausatmung liegt. Die Einatmung erfolgt reflektorisch. Dieser Vorgang kann 30 bis 120 Mal wiederholt werden. Kapalabhati endet mit einer Ausatmung. Aufgrund der großen Sauerstoffmenge, die sich jetzt im Körper befindet, dauert es einige Zeit, bis der Hauptatemnerv wieder den Impuls zur Einatmung an die Atemmuskulatur gibt. Diesen Zeitraum empfinden viele Menschen als wunderbar und mystisch. Es sind Augenblicke absoluter Stille, ein Gefühl, abseits der Zivilisation zu sein, fast tranceähnlich und sehr meditativ. Für Ungeübte kann sich ein leichtes Schwindelgefühl einstellen, da viel Sauerstoff und Energie in das Gehirn geleitet wurde. In diesem Fall ist angeraten, die Augen zu öffnen. Der Zyklus wird insgesamt drei Mal wiederholt. Für eine Entspannung nach dem Wiedereinsetzen der Atemtätigkeit, atmet man tief ein und verweilt einige Sekunden in Kumbaka. Ein anschließendes Nachspüren, bei dem der Atem frei fließt, verstärkt die Wirkung der Übung. Kapalabhati wirkt sehr anregend und wird daher nicht am späten Abend vor dem Zubettgehen geübt. Das tägliche Praktizieren am frühen Morgen ist zu empfehlen.
Katrin Burga Steiner – Yogalehrerin BDY/EYU