Die Wiedergeburt
Wiedergeburt—Das Konzept der multiplen Leben

Wiedergeburt—Das Konzept der multiplen Leben

Wiedergeburt - Das Konzept der multiplen Leben

Wiedergeburt – Himmelreich oder in die Hölle

In fast jeder religiösen Tradition dieser Welt gibt es Theorien, die sich mit dem Tod des Menschen beschäftigen. Viele Religionen weisen detaillierte Vorstellungen darüber auf, was mit einer Person nach ihrem weltlichen Ableben geschieht. In den meisten religiösen Systemen Südasiens ist der Glaube an eine Abfolge verschiedener Leben zentral. Welche Unterschiede es in der Wiedergeburtslehre gibt und warum die Gläubigen an mehr als ein Leben glauben, soll euch der folgende Artikel erklären.

Die Wiedergeburt und ihre verschiedenen Bedeutungen

Die Wiedergeburt und ihre verschiedenen Bedeutungen

 

Der Glaube an das Wiedergeborenwerden ist weit verbreitet und Theorien dazu sind in vielen großen und kleinen Religionen vorhanden. Aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung sind die verschiedenen Wiedergeburtslehren höchstwahrscheinlich nicht an einem einzigen Ort entstanden, sondern zeugen von dem menschlichen Bedürfnis nach Aufklärung und gleichzeitiger Tröstung.

 

Bereits im antiken Griechenland war die Wiedergeburtslehre bekannt, stellte aber keinen wichtigen Bestandteil der griechischen Religiosität dar und wurde nicht von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert.

 

Einen zentralen Stellenwert nahm die Lehre über die aufeinanderfolgenden Leben schon früh in den in Südasien entstandenen religiösen Systemen des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus ein. Hier  werden die Handlungen eines Lebewesens, deren Konsequenzen und Vergeltung für das gegenwärtige und zukünftige Leben zum Konzept von Karma und Wiedergeburt zusammengefasst.


Gibt es eine Wiedergeburtslehre im Christentum oder Judentum?

Gibt es eine Wiedergeburtslehre im Christentum oder Judentum?

 

Im christlichen Glauben sollte man den Begriff ,Wiedergeburt‘ deutlich von dem südasiatischen Konzept der ,Reinkarnation‘ trennen. Die Wiedergeburt eines Menschen findet dann statt, wenn  dieser beginnt, an Jesus Christus zu glauben.

 

Nach dem Tod des Gläubigen gelangt ein Mensch zwar entsprechend seiner jeweiligen Handlungen entweder in das Himmelreich oder in die Hölle. Eine Abfolge von Leben wie im Hinduismus oder Buddhismus gibt es allerdings nicht.

Ab dem 17. Jahrhundert wurden Theorien zur Seelenwanderung von einigen Gelehrten akzeptiert, gleichzeitig aber von der offiziellen Kirchenleitung streng verurteilt.

 

Im Judentum wird die Seelenwanderung schon früh erwähnt, hat ihren Ursprung allerdings in der mystischen Strömung des Kabbala. Sie ist verbunden mit der Belohnung und Bestrafung von menschlichen Taten. Der Weg der Seele durch verschiedene Lebensformen wird hierbei als wichtig für deren Läuterung betrachtet. Diese Theorie wurde jedoch vom orthodoxen Judentum abgelehnt.


Die südasiatischen Religionen

Die südasiatischen Religionen

 

In den Theorien des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus nimmt die Karma – und Wiedergeburtslehre eine zentrale Stellung ein. Sie gibt den Gläubigen Aufschluss über das Wie und Warum ihrer jeweiligen Lebensumstände und verspricht ihnen die Vergeltung gegenwärtiger Taten in den zukünftigen Existenzen.

 

Die Grundannahme in diesen drei Glaubenssystemen ist dabei, dass es keinen endgültigen Tod gibt und ein Lebewesen somit immer weitere Taten begeht, deren Konsequenzen es weiterhin im Kreislauf der Wiedergeburten festhalten. Denn die karmische Vergeltung dieser Handlungen erstreckt sich über unzählige (wenn auch nicht zwingend unendliche) Existenzen und Lebensformen.

Auf einen Blick

Der Überbegriff für das karmische Wirken und die vielen Wiedergeburten eines Individuums lautet ,Samsara‘. Es gibt zahllose Varianten des Wiedergeborenwerdens: man kann als Pflanze, Insekt, Tier, Mensch oder göttliches Wesen ein neues Leben beginnen. Diese Lebensformen unterliegen einer bestimmten hierarchischen Ordnung, die nach erstrebenswerten und ungewollten Existenzen aufgebaut ist.

 

Samsara bezeichnet also einen Kreislauf, weil Karma nur durch das Wiedergeborenwerden seine Wirkung entfalten kann, die Handlungen eines Lebewesens also nicht ohne Folgen bleiben. Gleichzeitig würde der gesamte Wiedergeburtenkreislauf ohne Karma seine Antriebskraft verlieren. Er ist also die Ursache und Funktion der Wirkung zugleich!

Der Wiedergeburtsglaube im Buddhismus

Der Wiedergeburtsglaube im Buddhismus

 

Der Wiedergeburtsglaube im Buddhismus

Im Buddhismus – Zustand des Nirvana

Im buddhistischen Glauben wird, anders als im Hinduismus oder Christentum, das ,Selbst‘ eines Lebewesens nicht anerkannt, d.h., dass es keine sogenannte ,Seele‘ gibt. Deswegen wird im Pali von  ,punarbhava‘ gesprochen, dem ,Wiederwerden‘ oder ,Wiederdasein.‘

 

Im Buddhismus gelten für alle Lebewesen universelle Regeln. Samsara gilt als Ausgangspunkt und Streben eines jeden Individuums nach der Erlösung. Denn Wiederwerden, also jede weitere Existenz, bedeutet Leiden.

 

Die Beschreibungen von abschreckenden Wiederdaseinsformen in den buddhistischen Schriften, z.B. das Wiederwerden in Höllenbereichen oder ähnlichem, sollen den Gläubigen als Abschreckung und gleichzeitige Mahnung dienen und haben somit einen didaktischen Charakter.

 

Ziel der buddhistischen Gläubigen sollte es sein, den Zustand des Nirvana zu erreichen. Nur in dieser Form verliert ein Individuum all seine Begierden und Wünsche. Ohne diese hört ein Mensch auf zu handeln. Ohne Taten entsteht kein Karma mehr, d.h., dass man nicht mehr wieder-werden kann. Der Kreislauf des Wiederdaseins kommt zum Stillstand.


Hinduismus und Wiedergeburt

Hinduismus und Wiedergeburt

 

Die wortwörtliche Übertragung von ,Wiedergeburt‘ ist im Sanskrit das Wort ,,punarjanma.“ In den Veden werden bestimmte Vorstufen des Konzept bereits erwähnt, zu seiner heutigen Form gelangte es allerdings erst im Laufe der Zeit.

In den Brahmanas und ältesten Upanishaden wird sowohl von ,punarmrityu‘, Wiedertod, als auch von ,punarvritti‘, der Wiederkehr oder Rückkehr, geschrieben.

 

In den Dharmashastras, den Gesetzestexten zu den einzelnen Pflichten und Aufgaben eines Menschen, werden bereits Regeln für die Sühne und Bestrafung bestimmter Taten aufgelistet. u Zu jener Zeit dienten diese Regeln der Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen und religiösen Ordnung und sollte das Stände- und Kastensystem der Gesellschaft schützen.

 

Die sechs philosophischen Schulen des Hinduismus beschäftigen sich ebenfalls auf unterschiedliche Art mit der Karma- und Wiedergeburtslehre. Gemeinsam ist ihnen dabei die Auffassung, dass Samsara leidvoll ist und Unfreiheit bedeutet. Das ideale Ziel aller Gläubigen sollte es deswegen sein, moksha zu erreichen, die Erlösung vom Wiedergeburtenkreislauf.

Gut zu Wissen

Drei Funktionen der Karma- und Wiedergeburtslehre:

 

  1. Sie stellt einen moralischen und religiösen Leitfaden für menschliche Handlungen dar und schreibt jeglichen Taten eine bestimmte Bedeutung zu. Jede Handlung zieht ihre Strafe oder Belohnung im nächsten Leben nach sich und zeigt, dass gegenwärtige Aktionen und Entscheidungen relevant für die zukünftige Existenzform sind.

 

  1. Durch die Lehre werden die gegenwärtigen Existenzzustände (z.B. der gesellschaftliche Status, Reichtum/Armut, Beruf etc.) eines Individuums erklärt und gerechtfertigt. Man kann einen gewissen Kausalitätsverlauf beobachten, der sich auf die Rückwirkung früherer Handlungen und Leben stützt.

 

  1. Die Lehre ist ein Zeichen für die menschliche Unzufriedenheit mit den eigenen Lebensbedingungen und deutet auf die universelle Frage nach dem Sinn des Lebens hin. Diese Unzufriedenheit bildet die Voraussetzung für den Wunsch und das eventuelle Streben nach moksha, also nach Erlösung aus dem Wiedergeburtenkreislauf.


Das Wiedergeborenwerden als Tier wird als Zeichen für schlechte Taten im früheren Leben gedeutet.

Die Reinkarnation (also Wiederverkörperung) als Mensch wird von den Anhänger/innen der hinduistischen Lehren hingegen als erstrebenswert angesehen. Nur die menschliche Spezies kann durch ihre geistigen Fähigkeiten nach Erlösung streben und sie eventuell durch viel Willenskraft und zahlreiche Entbehrungen erlangen und somit dem Kreislauf der Wiedergeburten entgehen.


Weiterführende Literatur zum Thema:

  • Buß, Johanna: Hinduismus für Dummies. Weinheim: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2009.
  • Halbfass, Wilhelm: Karma und Wiedergeburt im indischen Denken. München: Diederichs, 2000.

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Autorin Sophie Dieck von Yoga Stilvoll

Sophie Dieck

Über Sophie Dieck als Autorin

Schon vor meinem Indologie-Studium faszinierten mich ganz unterschiedliche Bereiche der vielfältigen indischen Kultur. Während meiner Aufenthalte in Indien fielen mir oft Schnittpunkte zwischen Alltagskultur und jahrhundertealten philosophischen Traditionen auf, die sich—bewusst oder unbewusst—in den Leben der Menschen manifestiert hatten. Obwohl ich bereits seit langem Yoga in seiner ‚westlichen‘ Fitness-Form praktiziere, lernte ich erst vor ein paar Jahren eine Yogalehrerin kennen, die mir Yoga als allumfassende Philosophie nahebrachte. Durch meine Beiträge möchte ich dieses Wissen gut verständlich weitergeben und meinen Fokus auf die verschiedenen philosophischen Grundgedanken legen, um ein Gleichgewicht zwischen Theorie und Praxis zu schaffen.

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