Unsere Atmung ist unser Lebenselixier. Im Alltag schenken wir ihr jedoch häufig zu wenig Beachtung. Machen wir uns bewusst, dass jeder Atemzug uns am Leben hält. Tiefe, wohltuende und genussvolle Atemzüge schenken mehr Energie, sorgen für eine bessere Durchblutung unseres Körpers und tragen zur Regeneration bei. Hier erfährst du, wie du deine Atmung für dich nutzen kannst.
Veröffentlicht von: Katrin B. Steiner / Aktualisiert am: 05. Januar 2020
„Einfach mal durchatmen“ – Entspannung, Ausgeglichenheit und Ruhe verbinden wir mit einem tiefen Durchatmen.
Eine bessere Konzentrationsfähigkeit, Unterstützung von Körpervorgängen wie der Verdauung, Linderung von Beschwerden und Vorbeugung von Krankheiten stehen im Zusammenhang mit einer tiefen und entspannten Atmung. Wer bestimmte Atemtechniken beherrscht, kann sie effektiv für sich nutzen.
Um am Morgen energiereich den Tag zu beginnen, im Laufe des Tages zur wohltuenden Entspannung beizutragen, oder sich am Abend von einem hektischen Tag zu erholen: Atemübungen sind individuell und einfach einzusetzen, entfalten aber eine große Wirkung – besonders bei regelmäßiger und langfristiger Übung.
Die Bedeutung der Atmung im Yoga: Pranayama
Im Yoga wird vorwiegend durch die Nase geatmet. Das erleichtert einerseits die Ausführung der Yoga-Übungen, hilft dem Körper aber auch dabei, sich in einem ruhigen und sanften Tempo zu bewegen. Nasenatmung beugt einer Überanstrengung vor und versorgt den Körper mit genügend Sauerstoff.
Yogis sehen den Atem in direkter Verbindung mit dem Geist und dem Körper. Der Atem speist die innere Lebensenergie. Um diese zu fördern und direkt mit Energie (Prana) zu versorgen, gibt es spezielle Atemübungen und -techniken, genannt Pranayama. Mit ihnen ist es möglich, den Energiefluss zu verstärken und Energieblockaden zu lösen, die Energie zu „kontrollieren“(ayama).
Der natürliche Atem steht im Yoga im Fokus. Es geht nicht darum, den Atem bewusst anzupassen, sondern seinen natürlichen Fluss zu verfolgen und zu unterstützen. Unser Atem ist das einfachste und direkteste Mittel, welches wir nutzen können, um unseren Körper mit Energie zu versorgen.
Pranayama ist ein alter Begriff, der zum ersten Mal in alten Schriften aus der Zeit um etwa 500 v.Chr. belegbar ist. Pranayama wurde als Verbindung des menschlichen Körpers zur Energie des Lebens erkannt. Daher werden Atemübungen als eines der acht wichtigsten Elemente des Yoga angesehen.
Eine bewusste und tiefe Yoga-Atmung fördert das Gleichgewicht und Zusammenspiel von Körper und Geist und belebt unsere Gesundheit.
Einfach atmen – mit Yoga zur effektvolleren Atmung
Yoga-Übungen arbeiten bewusst mit dem Ein- und Ausatmen. In den Asanas wirst du immer wieder darauf stoßen. Wenn du bereits Yoga übst, achte beim nächsten Mal ganz besonders auf deine Atmung. Du wirst die Wirkung fast sofort spüren.
Die Wirkung des bewussten Atmens
Die Versorgung unseres Gehirns und unserer Zellen mit Sauerstoff ist die wichtigste Funktion unseres Atems. Atemtechniken sollen die natürliche Abfolge der Atemzüge unterstützen und vertiefen.
Gut zu Wissen
Die Pranayama-Atmung spricht mittels verschiedener Übungen die unterschiedlichsten Bereiche unseres Körpers direkt an:
den oberen Brustkorb im Bereich der Schlüsselbeine,
den Brustkorb,
das Zwerchfell,
den Bauch und
den Beckenboden.
Sollten Beschwerden in einem der genannten Körperbereiche vorliegen, kann die yogische Atmung diese direkt ansprechen und zu Linderung beitragen.
Atemtechniken werden bei Beschwerden im Lungenbereich, Asthma, Herzinsuffizienz und chronischen Lungenerkrankungen wie COPD empfohlen. Zusätzlich hilft eine kontrolliertere Atmung bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen beruhigend auf Körper und Geist.
Doch nicht nur Menschen mit diesen Indikationen können von einer Yoga-Atemübungen profitieren. Bei Symptomen wie (Ein-)Schlafstörungen oder Unruhe kann eine richtige Atmung Wunder wirken.
Auch rundum Gesunde werden eine positive Wirkung yogischen Atmens erleben können. Häufig nutzen Menschen nur das obere Drittel ihrer Atemwege und atmen viel zu flach. So gelangen nicht annähernd so viele Mengen an Sauerstoff und Energie in den Körper wie möglich.
Eine Steigerung des Gesamtvolumens unserer ist nicht nur für Yogis, Sportler und Erkrankte wichtig. Aus einer größeren Menge an verfügbarem Sauerstoff resultiert eine Verbesserung der Versorgung des Gehirns und der Zellen.
Zusätzlich lässt sich eine beruhigende Wirkung in herausfordernden Alltagssituationen feststellen. Wer bereits in gesunden Tagen auf seine Atmung achtet, kann die erlernten Atemtechniken in emotional belastenden Situationen wie Trauer oder Krankheit und bei Alltagsstress anwenden.
Insgesamt hilft eine ausgeglichene Atmung, unsere Stimmungen positiv zu beeinflussen. Wer tief durchatmet, fühlt sich entspannter, befreiter und weniger verkrampft.
Atemtechniken leicht erlernen
Atemübungen lassen sich leicht erlernen. Als Zubehör ist nur der Wille, die Atmung bewusster werden zu lassen (und der Atem selbst) vonnöten. Sie eignen sich für Anfängerebenso wie für Fortgeschrittene, sind Bestandteil von Yogaebenso wie von Meditation.
Im Rahmen eines Yoga-Kurses oder eines selbstständigen Trainings lässt sich der Atem gut in die Übungen einbinden. Doch auch einzeln können wir uns auf unseren Atem konzentrieren und diesen trainieren. Dafür lassen sich Momente wie eine kurze Pause am Arbeitsplatz, Wartezeit unterwegs oder eine Fahrt in Bus und Bahn nutzen.
Tief durchatmen und den Geist beruhigen
Sicherlich hast du bereits die Erfahrung gemacht, dass es nach einem tiefen Atemzug und einem tiefen Durchatmen leichter weitergeht. Auch das Seufzen ist eine nützliche Funktion unseres Körpers: mit einem tiefen Seufzer lassen sich unsere Lungen vollständig leeren. Wer häufiger tief seufzt, kann in hektischen Situationen den körperlich erlebten Stress verringern.
„Volles Aus- und Einatmen ist also vor allem dann möglich, wenn man sich innerlich frei genug fühlt, Bekanntes loszulassen und Unbekanntes bereitwillig anzunehmen.“ (Dennis Lewis, Das Tao des Atmens)
Atemübungen zur Entspannung
Im Yoga ist das Atmen mehr als nur die Kombination aus Einatmen und Ausatmen. Die Bauchatmungist Dreh- und Angelpunkt. Sie ist der natürlichen Atmung viel näher als die mittlerweile weit verbreitete zu flache Atmung, die den Bauch nicht mehr erreicht.
Bewusste Atmung – für Ruhe und gesteigertes Bewusstsein
Die tiefe Bauchatmung ist die yogische Grundatmung. Sie kannst du praktizieren, um neue Energie und Kraft zu gewinnen. Die Bauchatmung eignet sich für jede Situation. Diese Atemübung kann man beliebig oft machen, sei es im Sitzen, Liegen, Gehen oder Stehen.
Setze dich mit geradem Rücken in den Schneidersitz. Nun atme tief durch deine Nase ein. Dein Bauch wölbt sich dabei, angefüllt durch die eingeatmete Luft. Atme durch die Nase aus und spüre, wie dein Bauch sich wieder zurückzieht.
Wiederhole die Übung für etwa 3 Minuten. Du kannst zusätzlich deine Hand auf den unteren Bauchbereich legen, um jedem Atemzug von außen nachzuspüren. Spüre, wie sich deine innere Ruhe und dein inneres Gleichgewicht wiederherstellen.
Nasenatmung – zur Beruhigung und Energiegewinnung
Setze dich mit geradem Rücken in den Schneidersitz. Bedecke dein linkes Nasenloch mit deinem linken Daumen. Atme nur durch das offene rechte Nasenloch.
Variation: Wechselatmung
Wechsle nach jedem Atemzug das Nasenloch. Halte nun mit deinem rechten Daumen das rechte Nasenloch zu und atme durch das offene linke Nasenloch.
Wiederhole die Übung für jeweils 5-10 Atemzüge oder für 3 Minuten.
Die Nasenatmung bringt Entspannung
Kapalabhati – die Schnellatmung
Mit der Kapalabhati lassen sich negative Stimmungen und Gefühle wegatmen. Sie verschafft dir neue Klarheit im Kopf. Daher findet sie auch therapeutische Anwendung.
Setze dich mit geradem Rücken in den Schneidersitz. Atme eingangs tief und entspannt wie oben bei der Bauchatmung erklärt. Nun atme schnell und tief durch die Nase ein. Atme anschließend doppelt so lang durch die Nase aus. Wiederhole beides.
Variation: Stoßweises Ausatmen
Variiere das Ausatmen: mehrfach (3-5 Mal) ruckartig hinterheinander durch die Nase. Atme dann wieder tief und entspannt durch die Nase ein.
Anfänger-Tipp: das schnelle Abatmen und die erhöhte Sauerstoffzufuhr im Gehirn können zu einem anfänglichen Schwindelgefühl führen. Übe daher anfangs in kürzeren Intervallen. Du kannst, wenn du dich dabei wohl fühlst, Tempo und Länge bei deinen nächsten Übungen langsam steigern.
Purna – die vollständige Yoga-Atmung
Setze dich mit geradem Rücken in den Schneidersitz. Die Purna-Atmung kann auch Teil deiner anderen Yoga-Übungen werden oder im Liegen angewendet werden, wenn du geübt bist.
Spüre deinen Atem in deinen Bauch und aus deinem Bauch herausfließen. Lege dafür deine Hände auf deinen Bauch und beobachte deine Atemzüge.
Lege anschließend deine Hände auf deinen Brustkorb und spüre dort den Atemzügen nach. Atme tief und gleichmäßig, nutze dein gesamtes Lungenvolumen.
Beobachte die Abfolge des Hebens und Senkens deines Bauches und deiner Brust. Du kannst deine Hände auch auf deinen oberen Brustkorb, unterhalb deiner Schlüsselbeine, legen und dort spüren, wie der Atem durch deinen oberen Brustkorb strömt und sich dabei hebt.
Wiederhole die Übung für bis zu 10 Atemzüge und beobachte den Fluss des Atems durch deinen Körper.
Gut zu Wissen
Gut zu wissen:
Grundsätzlich tut die Yoga-Atmung allen gut.
Sei jedoch vorsichtig, wenn du:
zu Nasenbluten neigst,
zu Schwindelanfällen neigst,
hohen Blutdruck hast, oder
Fieber, eine Erkältung / Grippe hast.
Dann sind die Übungen nicht für dich geeignet.
Manche empfehlen die Yoga-Atmung speziell bei Erkältung, auch für Kinder. Achte jedoch darauf, kein Fieber zu haben. Solltest du dich fit fühlen und dir die Übung Linderung verschaffen, spricht bei leichten Erkältungssymptomen nichts dagegen, sie anzuwenden.
Weitere Übungen und ausführlichere Anleitungen zu den oben genannten Atemtechniken findest du bei Atmung – Pranayama.
„Ein wenig Pranayama genügt schon, z.B. den Atem beobachten: Damit wird der Geist von anderen Tätigkeiten abgezogen und auf die Beobachtung des Atems festgelegt. Das bringt den Atem unter Kontrolle und damit auch den Geist.“ (Ramana Maharshi)
Atemübungen gegen Stress und zum Einschlafen
Atemtechniken lassen sich sehr gut im Liegen ausführen. Besonders bei Einschlafstörungen können sie wirksam sein. Wer keine Einschlafstörungen hat, wird mit einer bewussten Atmung dennoch leichter und ausgeglichener in den Schlaf finden.
Du kannst Atemübungen mit einer Einschlafmeditation kombinieren. Vielleicht gibt es eine bestimmte Musik, dezentes buntes Licht oder dein Lieblingskissen, welche dir zusätzlich dabei helfen, in einen gesunden und vor allem erholsamen Schlaf zu gleiten.
Die klassische Bauchatmung unterstützt deine Einschlafphase. Wende sie im Liegen an, so wie du sie im Sitzen eingeübt hast. Wenn du möchtest, platziere deine Hände auf deinem Bauch und spüre dem Auf und Ab deines Bauches nach.
Yoga-Atemübungen bringen ruhigen Schlaf
Zum Einschlafen kombinierst du die Bauchatmung mit deiner Vorstellungskraft.Meditiere, während du deine tiefen Atemzüge beobachtest. Stelle dir vor, dass du beim Einatmen deinem Körper reine Energie zuführst. Sende deine Gedanken in deine unterschiedlichen Körperregionen und widme ihnen einen Gedanken der Dankbarkeit dafür, dass sie dich den Tag über begleitet haben und dich am Leben halten.
Lasse beim Ausatmen alles los, was dir am Tag begegnet ist. Sende mit deinem Atem alle Erlebnisse, auch die negativen, nach außen. Du kannst sie loslassen und brauchst sie nicht mit in deinen Schlaf zu nehmen. Wiederhole die Übung so lang, bis du spürst wie dein Körper schwer wird und sich auf den Schlaf
Nicht umsonst beginnt und endet unser Leben mit dem ersten bzw. letzten Atemzug. Er begleitet uns in jeder Sekunde unseres Lebens und wirkt vitalisierend.
Ott, Ulrich; Epe, Janika: Gesund durch Atmen: Ein Neurowissenschaftler erklärt die Heilkraft der bewussten Yoga-Atmung. O. W. Barth, 2018.
Skuban, Ralph: Pranayama: Die heilsame Kraft des Atems. Aquamarin-Verlag, 2017.
Hat dieser Text dir weitergeholfen oder dich sogar inspiriert? Oder hast du Anmerkungen, die du gerne teilen möchtest? Ich freue mich auf deine Meinung!
Katrin B. Steiner
Gründerin von {YOGA STILVOLL} und Yogalererin BDY
Meine Leidenschaft für Yoga habe ich 2006 entdeckt. 2007 entschied ich mich dazu, mich zur Hatha-Yogalehrerin ausbilden zu lassen und seitdem unterrichte ich immer wieder an verschiedenen Institutionen in Thüringen. Ich bin ein großer Fan des Sonnengrußes, den ich regelmäßig in allen Varianten praktiziere. Neben Hatha Yoga liebe ich Jivamukti Yoga! Die Wirkung von Yoga auf den Geist und Körper fasziniert mich sehr und mit meinen Texten kann ich euch an meiner Freude am Yoga teilhaben lassen.