Hinduismus und Götter
Die Götter des Hinuismus

Von Brahma bis Vishnu – eine kurze Übersicht über das hinduistische Pantheon

Die Götter des Hinuismus

Die Götter des Hinduismus

 

Der Hinduismus zeichnet sich durch eine unüberschaubare Anzahl an Gottheiten aus. Bunte Abbildungen und Statuen zeigen sie oft mit ihren Ehepartnern und jeweiligen Attributen. So vielfältig wie das hinduistische Pantheon erscheinen auch die Verehrungsformen der Gläubigen, um ihren persönlichen Göttern und Göttinnen nahe zu sein. Welche Gottheiten am weitverbreitesten sind, wie sie sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben und wie man den Überblick behalten kann, könnt ihr im folgenden Text lesen. 

Wie viele Gottheiten gibt es im Hinduismus?

Wie viele Gottheiten gibt es im Hinduismus?

 

Eine der wichtigsten Fragen, die sich Außenstehende stellen, ist die nach der genauen Anzahl der Gottheiten im hinduistischen Glauben. Gäbe es darauf eine einfache Antwort, würde der Hinduismus allerdings an Komplexität verlieren.

 

Präzise Angaben oder konkrete Zahlen zu den einzelnen Göttern und Göttinnen sind irreführend und meistens nicht korrekt. Dabei spielt die Entwicklung der einzelnen Gottheiten eine entscheidende Rolle, weil diese sich u.a. aus verschiedenen Erscheinungsformen zusammengesetzt haben, die erst im Laufe der Zeit zu einer eigenen Kategorie zusammengefasst wurden.

 

Wer sich mit dem Hinduismus beschäftigt, sollte außerdem beachten, dass dieser aus verschiedenen, teilweise sehr unterschiedlichen Traditionen und Anschauungen besteht und man eigentlich im Plural von hinduistischen Religionen sprechen könnte. Diese Vielfalt zeigt sich u.a. in der scheinbar unüberschaubaren Götterwelt, die sich durch die Aufnahme verschiedener lokaler Traditionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Gottheiten zusammensetzt.

 

Viele Gläubige können sich auf bestimmte Götter und Göttinnen, deren Eigenschaften und auf eine gewisse hierarchische Einteilung einigen; allerdings können sich Hierarchie und Bedeutung der einzelnen Gottheiten auf der persönlichen Ebene eines jeden Hindu ändern.

,,In der vielfältigen Götterwelt des Hinduismus verschwindet nie eine Gottheit; im schlimmsten Fall wird sie nur umgewertet und anders platziert.“  (Gunturu : S. 146)


Kann man bei einer solchen Vielzahl an Gottheiten nun von Polytheismus sprechen? Oder handelt es sich beim Hinduismus um eine monotheistische Religion (manche Wissenschaftler/innen sehen den Hinduismus auch als einen Oberbegriff für zahlreiche unterschiedliche Religionen)? Dafür spricht der Glaube vieler Hindus, dass alle existierenden Götter und Göttinnen letztlich die Erscheinungsform der einzigartigen Weltenseele Brahman sind, also alles im Universum eins ist.

 

Vielleicht kann man den Hinduismus auch als Henotheismus bezeichnen. Der vom bekannten Indologen Max Müller geprägte Begriff enthält das griechische ,heis‘, das ,viel‘ bedeutet. Hierbei erkennen die Gläubigen die Existenz einer Vielzahl an Gottheiten an, verehren aber auf persönlicher Ebene eine bestimmte Gottheit und rücken diese in den Mittelpunkt.


Wie werden die Gottheiten verehrt?

Wie werden die Gottheiten verehrt?

So vielfältig wie die hinduistische Götterwelt sind auch die ihr gewidmeten Verehrungsformen. Die Götter und Göttinnen können in Form eines Bildes, einer Statue oder gar als abstraktes Objekt (z.B. Steine, Bäume etc.) verehrt werden. Auch anderen Lebewesen können kontextbezogen besondere Fähigkeiten zugeschrieben werden.

Eine der wichtigsten Formen der Verehrung ist die Puja. Sie kann im Haus der Gläubigen—in einem separaten Puja-Raum oder an einem kleinen Altar—aber auch im Tempel stattfinden. Das Ausmaß einer Puja ist abhängig von dem jeweiligen Anlass; sie kann für besondere Ereignisse, Feiertage oder täglich durchgeführt werden. Ob am Morgen oder Abend, in voller Länge oder in Kurzform, eine Puja ist die ideale Respektsbezeugung für den Großteil der Gläubigen.

Gut zu Wissen

Wusstet ihr, das die Standardform einer klassischen Puja aus 16 Schritten besteht? Hierbei wird die jeweilige Gottheit wie ein Gast behandelt: sie wird gewaschen, erhält neue Kleidung und Blütengaben, außerdem werden Düfte versprengt. Nicht zu vergessen das Anbieten von Essen und Trinken.

 

Natürlich kann eine Puja auch verkürzt, verlängert oder nach individuellen Wünschen gestaltet werden. Entscheidend sind dabei Anlass und Bedeutung des Rituals.


Die Verehrung von Gottheiten im Tempel unterliegt häufig etwas strengeren Regeln. Die Rolle der Anbetenden übernehmen hier meist mehrere Priester, die sich der Gottheit mehrmals täglich im heiligsten Bereich des Tempels widmen. Auch hier wird sie u.a. begrüßt, gewaschen, angekleidet, gefüttert und gepriesen.

 

Ein wichtiges Element im Umgang mit Göttern und Göttinnen stellt für die meisten Hindus das Prinzip des ,Darshana‘ dar, dass vereinfacht als ,,sehen und gesehen werden‘‘ beschrieben werden kann. Der oder die Gläubige besucht einen Tempel, Schrein o.ä. und besieht sich die Gottheit. Dabei geht ein kleiner Teil der göttlichen Energie auf ihn/sie über. Gleichzeitig sieht auch die Gottheit ihre Anhänger/innen und gewinnt damit an größerer Bedeutung.

Wie werden die Gottheiten verehrt

So werden die Götter verehrt

Neben Pujas Zuhause oder im Tempel haben Hindus noch viele weitere Möglichkeiten, um den verschiedenen Gottheiten ihren Respekt zu bezeugen, Wünsche zu äußern, Dank auszusprechen…

Über ganz Indien verstreut gibt es zahlreiche heilige Orte, an die Pilgerfahrten unternommen werden können.

 

Es gibt eine Vielzahl an Jahresfesten und Feiertagen. Oft lassen Gläubige Opfer bringen—die nur noch selten aus Tieropfern bestehen—oder legen Fastengelübde ab, um eine Gottheit zu besänftigen oder sie um etwas zu bitten.

 

Zusätzlich dazu werden Götter und Göttinnen durch Erzählungen und Göttermythen am Leben erhalten. Gedichte, Volkssagen, die Puranas und Epen wie das Mahabharata und Ramayana sind in Indien wohlbekannt und bieten auch heute noch Stoff für Romane, Filme und Fernsehserien.


Götter und Göttinnen in der vedischen Religion

Götter und Göttinnen in der vedischen Religion 

Die Ursprünge des Götterkultes reichen bis in das vedische Zeitalter hinein. Die vedischen Götter (devas) unterscheiden sich allerdings stark von den heutigen. Oft handelt es sich um Naturerscheinungen in vergöttlichter Form, die aber teilweise menschliche Züge tragen.

 

Neben dem Feuergott Agni und dem Rauschtrank/Gott Soma nahmen die Sonne Surya, der Donner Parjanya, die Morgenröte Usha und der Wind Vayu eine wichtige Rolle ein. Der Kriegsgott Indra brachte Regen und Fruchtbarkeit und war wichtiger Bestandteil der vedischen Schöpfungsmythen.

 

Viele dieser Gottheiten stiegen oder fielen in späteren hinduistischen Traditionen in ihrer ursprünglichen Bedeutung. Die meisten von ihnen machten Platz für bisher unbekannte oder weniger bedeutsame Götter und Göttinnen. Der Gott Vishnu, der in den heutigen Traditionen eine zentrale Rolle einnimmt, wurde in den vedischen Schriften nicht einmal erwähnt; Shiva trat wahrscheinlich in einer Vorform als Gott Rudra auf.

 

Erst während des Übergangs von der vedischen zur hinduistischen Religionsform erlangten Vishnu, Shiva und Devi als weitverbreitete Gottheiten mit zahlreichen Erscheinungsformen und Attributen zu ihrer heutigen Bedeutung.

 

Gut zu wissen:

 

Den Göttinnen-Kult gibt es bereits seit dem 6./5. Jahrtausend v. Chr. und gibt Aufschluss über die Vermischung der vedischen ,Hochkultur‘ mit lokalen Ritualen und Mythen der nicht-arischen Bevölkerung und deren weiblichen Gottheiten. Die Göttinnen im heutigen Hinduismus sind entweder ideale, liebevolle Ehefrauen und Mütter oder treten als wilde, gewaltsame Wesen auf.


Wie kann man die einzelnen Gottheiten voneinander unterscheiden?

Wie kann man die einzelnen Gottheiten voneinander unterscheiden? 

Im Hinduismus haben die meisten Götter und Göttinnen verschiedene Erscheinungsformen und  variierende Bedeutungen. Das liegt vor allem an regionalen Unterschieden, wenn es z.B. um Namen, Mythen und die Relevanz einer bestimmten Gottheit geht.

 

Wie kann man in diesem Wirrwarr einen guten Überblick bewahren und die jeweiligen Gottheiten voneinander unterscheiden? Glücklicherweise gibt es in der hinduistischen ,Hochkultur‘ bestimmte göttliche Figuren, die unter den Gläubigen verbreitet oder zumindest akzeptiert sind und die sich durch individuelle Eigenschaften und Objekte auszeichnen.

 

Jeder Gott und jede Göttin hat sein/ihr persönliches Fortbewegungsmittel, das sogenannte Reittier. Dieses Tier ist auf den meisten Abbildungen oder Tempelfiguren immer in der Nähe der Gottheit abgebildet. So hat der Gott Shiva einen Bullen, Vishnu den Adler Garuda und Ganesha eine Ratte als Reittier.

 

Außerdem unterscheiden sich Gottheiten durch die vielfältigen Gegenstände, die sie in den Händen halten oder am Körper tragen. Das können Waffen, Schmuck, Pflanzen usw. sein, die sich oft auf die persönlichen Attribute und mythischen Erzählungen beziehen.


Eine kurze Übersicht über die bekanntesten Gottheiten

Eine kurze Übersicht über die bekanntesten Gottheiten 

Brahma, Vishnu und Shiva bilden zusammen die Trimurti, ein Dreiergespann, das mit dem Werden und Vergehen des Kosmos in Zusammenhang steht. Brahma wird hier als Weltschöpfer, Vishnu als Erhalter der Welt und Shiva als deren Zerstörer angesehen.

 

Im Hinduismus gibt es unterschiedliche Traditionen, die festlegen, welche Gottheit die zentrale Position einnimmt und in welcher Beziehung sie zu den anderen Göttern und Göttinnen steht. So werden z.B. die Anhänger Vishnus als Vaishnavas oder Vishnuiten bezeichnet. Sie gehören dem Vishnuismus an.

 

Ähnlich verhält es sich mit dem Shivaismus, bei dem die Shivaiten vor allem den Gott Shiva verehren. Aus dem Shivaismus hervorgegangen und in enger Verbindung mit ihm stehend ist der Shaktismus, in welcher der weiblichen Energie in Form von Shakti eine besondere Rolle eingeräumt wird.

 

10 hinduistische Gottheiten, die du kennen solltest:

 

  1. Brahma: Der Schöpfer des Kosmos. Trotz seiner herausragenden Schaffenskraft ist seine Bedeutung heutzutage zurückgegangen.
  1. Saraswati: Sie ist die Ehefrau Brahmas und zugleich Göttin der Weisheit und der Künste (z.B. Musik, Tanz etc.).
  1. Lakshmi: Die vierarmige Göttin des Glücks und des Reichtums. Sie ist die Ehefrau von Vishnu.
Lakshmi Gott des Hinduismus

Lakshmi

 

  1. Vishnu: Der Erhalter und Retter der Welt. Wenn die Menschheit in Gefahr ist, steigt Vishnu als Avatar auf die Welt herab. Zwei seiner vielen Erscheinungsformen sind Rama, Hauptfigur des Ramayana, und der blauhäutige Krishna. Beide können auch als eigenständige Götter angesehen werden.
  1. Shiva: Wird als Zerstörer und gleichzeitiger Erhalter der Welt Durch seinen kosmischen Tanz vernichtet er die Welt, damit sie wieder neu entstehen kann. Shiva ist ein sehr komplexer Gott mit durchaus gegensätzlichen Rollen. So kann er z.B. als Asket und Weltentsager, aber auch als liebender Ehemann auftreten. Das Symbol Shivas ist oft der ,linga‘, ein phallusförmiger Stein.
  1. Devi: Sie ist die Ehefrau von Shiva und kann, wie er, friedlich und grausam zugleich erscheinen.

 

  1. Parvati: Die Göttin der Schönheit und Weiblichkeit. Als Durga ist sie eine kraftvolle und unter Umständen gewaltbereite, ihren Anhänger/innen gegenüber jedoch freundliche Göttin.
Parvati Göttin des Hinduismus

Parvati

  1. Kali: Als eine weitere Form von Devi wird Kali oft als blutrünstig, gewaltbereit und unersättlich Ihre Haut ist dunkel, ihre Haare fliegen wild umher.
  1. Shakti: Sie stellt die weibliche göttliche Kraft Im Gegensatz zu den anderen Gottheiten hat sie keine eigene Mythologie. Als schöpferische Macht ist sie allerdings unverzichtbar, denn sie bildet das Gegenstück zu jedem männlichen Gott. Ohne sie kann dieser nicht handeln.
Shakti Gott des Hinduismus

Shakti

 

  1. Ganesha: Einer der bekanntesten und beliebtesten Götter, der sich zudem durch seinen Elefantenkopf und dicken Bauch gut von den anderen Gottheiten unterscheiden lässt. Er ist der Sohn von Parvati und der Beseitiger von Hindernissen. ]

 

Wer jetzt weiterhin verwirrt ist dem sei gesagt, dass die verschiedenen hinduistischen Glaubenssysteme auch vielen Wissenschaftler/innen (und so manchem Gläubigen) immer noch genug Stoff für Spekulationen bieten. Wenn ihr mehr über die einzelnen Götter und Göttinnen, deren Aussehen und Mythen wissen wollt, verfolgt einfach weiterhin den Yoga Stilvoll-Blog.

Weiterführende Literatur zur Götterwelt im Hinduismus:

 

  • Buß, Johanna: Hinduismus für Dummies. Weinheim: WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 2009.
  • Gunturu, Vanamali: Die große Religion Indiens. Kreuzlingen; München: Hugendubel, 2000.
  • Meisig, Konrad: Shivas Tanz. Der Hinduismus. Freiburg i. Br.: Herder, 2003.
  • von Stietencron, Heinrich: Der Hinduismus. München: C.H. Beck, 2001.

Hat dieser Text dir weitergeholfen oder dich sogar inspiriert? Oder hast du Anmerkungen, die du gerne teilen möchtest? Ich freue mich auf deine Meinung!



Autorin Sophie Dieck von Yoga Stilvoll

Sophie Dieck

Über Sophie Dieck als Autorin

Schon vor meinem Indologie-Studium faszinierten mich ganz unterschiedliche Bereiche der vielfältigen indischen Kultur. Während meiner Aufenthalte in Indien fielen mir oft Schnittpunkte zwischen Alltagskultur und jahrhundertealten philosophischen Traditionen auf, die sich—bewusst oder unbewusst—in den Leben der Menschen manifestiert hatten. Obwohl ich bereits seit langem Yoga in seiner ‚westlichen‘ Fitness-Form praktiziere, lernte ich erst vor ein paar Jahren eine Yogalehrerin kennen, die mir Yoga als allumfassende Philosophie nahebrachte. Durch meine Beiträge möchte ich dieses Wissen gut verständlich weitergeben und meinen Fokus auf die verschiedenen philosophischen Grundgedanken legen, um ein Gleichgewicht zwischen Theorie und Praxis zu schaffen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*

code