Mit Achtsamkeit lassen sich eigene Ruheinseln im Alltag schneller und effektiver finden und erhalten. Wir zeigen dir hier, woher sie kommt und was sie bedeutet. Außerdem geben wir wichtige Tipps – nicht nur für Einsteiger!
In stressigen Situationen und Lebensphasen ist es nicht ungewöhnlich, dass unsere Work-Life-Balance doch einmal aus dem Takt gerät. Innere Ruhe lässt sich immer seltener finden, häufig hetzt man von Termin zu Termin. Zeit für sich selbst fehlt, die Konzentration schwindet, man fühlt sich abgelenkt durch alltägliche Sorgen und kann die Gegenwart kaum genießen.
Doch unsere hektische und zielorientierte Lebensweise bedeutet nicht unbedingt, dass das so bleiben muss und man sich selbst aus den Augen verliert. Mittels einer achtsamen inneren Einstellung können wir mit ein wenig Übung zu mehr Aufmerksamkeit, Gelassenheit und Zufriedenheit finden.
Veröffentlicht von: Katrin B. Steiner / Aktualisiert am: 30.Dezember 2019
Achtsamkeit wurde vor allem im Zusammenhang mit Stressbewältigung und Entspannungstechniken bekannt. Sie erfreut sich so großer Beliebtheit, weil sie jederzeit ortsunabhängig und ohne langwierige Vorbereitungen praktiziert werden kann.
Achtsam sein lässt sich besonders leicht in den Alltag integrieren und unterstützt das bewusste Leben im gegenwärtigen Augenblick. Bereits durch die innere Bewusstwerdung und damit einhergehend einer anderen Sichtweise auf sich selbst lässt sich ein stressiger Tag entschleunigen.
Ihre wichtigsten Aspekte sind:
Erhöhte Aufmerksamkeit und Wahrnehmung,
Bewusstmachen des gegenwärtigen Moments,
Loslassen von Wertungen und Urteilen.
Wieso uns Achtsamkeit im Alltag gut tut
Hinter dem Begriff steckt viel mehr als eine Strategie zur Stressreduzierung. Eine Strategie allein wird aus einem stressigen Lebenswandel nicht urplötzlich eine entspannte, ruhige Lebensführung machen. Ein regelmäßiges Achtsamkeitstraining kann jedoch langfristig zu mehr innerer Ruhe führen.
In Momenten der Angespanntheit ermöglicht eine achtsame Haltung einen ruhigeren Atem. Emotionen und Gedanken, körperliche Zustände sowie unser Umfeld können wir fokussierter wahrnehmen ohne sie zu bewerten. Durch das Training lässt sich erlernen, mit Gefühlen entspannter umzugehen und sie wertfrei zuzulassen.
Konzentriert sich unsere innere Haltung darauf, die Zustände um uns herum und in uns zu beobachten, sind wir weniger angespannt, da wir sie nicht (mehr) ändern wollen. Wir nehmen sie wahr und registrieren zum Beispiel unsere Aufgeregtheit oder Nervosität vor einem wichtigen Termin.
Mittels der achtsamen inneren Haltung fällt es leichter sich auf das zu konzentrieren was wichtig ist, anstatt Ängste, innere Unruhe oder Stimmungen unnötig lang zu hinterfragen.
„Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart.“ (Meister Eckhart, 1260-1328)
Ein negatives Gefühl kann gerade dann besonders groß werden, wenn wir routinierte Aufgaben erfüllen und unser Geist abschweift. Sind wir achtsamer, konzentrieren wir uns mehr auf unsere momentane Tätigkeit und lassen dem Gedankenkarussell weniger Raum.
Insofern führen eine fokussierte Aufmerksamkeit und Wahrnehmung zu einem trainierten Geist, der dabei hilft, auf die eigene innere Stärke zu vertrauen und Ablenkungen von außen und innen anders einzuordnen.
Woher Achtsamkeit kommt
In ihren Ursprüngen ist Achtsamkeit Ausdruck einer inneren Geisteshaltung. Sie kommt aus der buddhistischen Philosophie und hat bereits über 2000 Jahre Tradition.
Die Wahrnehmung zu trainieren steigert unser Wohlbefinden
Erstmals kam die achtsame innere Geisteshaltung als Meditationsübung in Psychotherapien während der 60er Jahre nach Europa. Heute kennen wir sie in der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion, abgekürzt MBSR, die auf den Wissenschaftler Jon Kabat-Zinn zurückgeht.
Sie wird bei Depressionen, Burnout, Angststörungen, Borderline und anderen psychischen Erkrankungen eingesetzt. Doch ist sie nicht nur als Therapie in der Psychologie geeignet, sondern auch zur Vorbeugung.
Warum das so ist und wie ihr sie selbst praktizieren könnt, lest ihr unten.
Achtsamkeit lernen und trainieren
An welchem Ort, wann und wie oft du dein Achtsam-Sein trainierst, entscheidest nur du!
Um achtsamer zu werden, zu trainieren und die persönliche Wahrnehmung von sich selbst und dem eigenen Umfeld zu verbessern, braucht es nichts weiter als den Wunsch, sich damit zu befassen. Es gibt zwar Seminare und -Kurse, aber du kannst für dich allein üben und dabei selbst entscheiden wie das Training am besten in deinen Tagesablauf passt.
Da du diesen Artikel bis hier hin gelesen hast, hast du bereits den größten Schritt getan: Dir ist bewusst geworden, dass du manches Mal vielleicht nicht so sehr in der Wirklichkeit und im gegenwärtigen Moment bist, wie du es sein könntest.
Zu sich selbst finden – den Geist beruhigen
Für den Anfang ist es zu empfehlen, ganz in Ruhe an einem persönlichen Lieblingsplatz mit der ersten Übung zu beginnen. Vielleicht hast du ja bereits einen Yoga-Platz mit einem gemütlichen Meditationskissen oder einer Yogamatte. Zieh dir bequeme Sachen an, sodass du dich in deiner Haut und an deinem ausgewählten Ort besonders wohl fühlst. Wir empfehlen dir geeignete Yogakleidung.
Mit zunehmender Übungspraxis wirst du dich in anspruchsvollen und herausfordernden Situationen besser erden können. Im Berufsleben, vor wichtigen Gesprächen oder Prüfungen wirst du leichter zu deiner eigenen Bewusstheit zurückfinden ohne dich ferngesteuert zu fühlen.
Was hat Achtsamkeit mit Yoga zu tun?
Yoga und Achtsamkeit lassen sich unabhängig voneinander üben. Zur inneren Geisteshaltung benötigst du nichts als den Willen, achtsam zu sein. Beim Yoga helfen dir eine ruhige Übungsatmosphäre und etwas Zeit bei der sorgfältigen Ausführung deiner Übungen.
Eine höhere Aufmerksamkeit unterstützt dabei, innezuhalten und Strukturen zu erkennen
Werden beide miteinander kombiniert, kann sich der wohltuende Effekt auf deinen Körper und Geist positiv verstärken. Achtsam zu sein hilft dir deine Yoga-Übungen genauer und wirkungsvoller auszuführen, da du dich auf den Moment konzentrierst und ganz in deiner Übung sein kannst. Wenn du bereits Praxis im achtsam sein hast, kann Yoga dich dabei unterstützen, langanhaltende Effekte nach deiner Yoga-Stunde mit in den Tag zu nehmen und somit dauerhafter in deinen Alltag einzubauen. Wenn du bisher nur mit Yoga Erfahrung hast, kannst du mittels einer gesteigerten Aufmerksamkeit die Übungen und ihre Effekte noch besser genießen.
Typische Achtsamkeitsübungen
* Geh-Meditation (barfuß)
Bei der Geh-Meditation begibst du dich mit all deinen Sinnen in das Gehen.
Konzentriere dich bei jedem deiner Schritte darauf, wie deine Füße und deine Beine das Gewicht deines Körpers tragen. Setze die unbewusste Handlung des Gehens in deinen Fokus und erspüre, ob du mit federnden Schritten gehst oder von einem langen Tag erschöpft bist und deine Beine schwer sind.
Wie fühlt es sich an, voranzukommen? Nimmst du die Entfernung (z.B. deinen üblichen Weg nach Hause) anders wahr, wenn du auf jeden einzelnen Schritt achtest? Im Sommer kannst du barfuß über eine Wiese laufen, dann spürst du sogar den Boden und die Pflanzen unter deinen Fußsohlen.
Hier findest du einen umfangreichen Artikel zur Gehmeditation.
* Ess-Meditation (bewusst schmecken)
Bei der Ess-Meditation konzentrierst du dich vollständig auf das Essen, ohne nebenbei etwas anderes zu tun.
Dabei richtest du deine Sinne auf das Lebensmittel, von dem du abbeißt, befühlst mit deiner Zunge seine Oberflächenstruktur. Ist es ein weiches Lebensmittel, das sich zerdrücken lässt? Oder musst du es kauen, um es zu schmecken? Welchen Geschmack hat es? Ändert sich dieser, abhängig davon, wie lange du dein Lebensmittel gekaut hast? * Natur-Meditation
Wenn du dich in der Natur befindest, nimm genauer wahr wie sie auf dich wirkt.
Was siehst, hörst, riechst und ggf. schmeckst du? Die Natur-Meditation eignet sich genauso wie die Geh-Meditation gut für deine Mittagspause. Sicherlich findest du in der Nähe deines Arbeitsplatzes eine Grünfläche oder einen Park.
Nimm bewusst wahr, was um dich herum passiert, lasse deine Sorgen ziehen. Setze diese Meditation fort, indem du regelmäßig immer wieder an den Ort zurückkehrst und dir im Jahreszeitenverlauf bewusst anschaust, wie sich die Natur um dich herum verändert.
Nimm alle Gedanken und Überlegungen während deiner Übungen wahr, ohne sie zu bewerten.
Nutze deine persönliche Wohlfühloase
Hier eine kurze Schritt-für-Schritt-Anleitung für deine erste achtsame Übung:
In 5 Schritten zur Achtsamkeit
Schritt 1: Werde dir bewusst, dass du vermutlich häufig im sogenannten „Auto-Piloten“ unterwegs bist.
Der Auto-Pilot ist nichts Negatives, sondern eine hilfreiche und lebensnotwendige Funktion unseres Gehirns. Wir benötigen sie um die vielen Eindrücke und Informationen die täglich auf uns einströmen, auszublenden und gewisse Tätigkeiten (wie z.B. Zähneputzen) routiniert durchzuführen.
Schritt 2: Entscheide dich dafür, eine routinierte Tätigkeit oder Gewohnheit aufmerksam und achtsam durchzuführen.
Dafür sind alle Tätigkeiten geeignet, die du normalerweise im Auto-Piloten erledigst. Das kann morgens z.B. das Kaffee- oder Tee-Kochen sein, das Anziehen von Strümpfen oder Zubinden von Schuhen, oder sogar das Autofahren.
Schritt 3: Sieh die erste Übung als Teil deines persönlichen Trainings.
Da du selbst den Bereich wählst, dem du mehr Aufmerksamkeit schenken möchtest, hast du die Meditation bereits auf deine Anforderungen angepasst. Dies wird dir eine regelmäßige Integration in deinen Alltag erleichtern.
Führe die Übung mit Freude durch, setze dich nicht selbst unter Druck, sondern beobachte gelassen, wie sich die Übung für dich anfühlt.
Schritt 4: Beobachte, was die Übung an dir und deiner Wahrnehmung nachhaltig verändert.
Spürst du beim Zähneputzen nun eher, dass die Zahnbürste aus vielen kleinen Borsten besteht? Schmeckt dein Tee oder dein Kaffee anders? Nimmst du dir vielleicht sogar mehr Zeit für dein erstes Getränk am Morgen, anstatt schnell zur Arbeit zu hetzen?
Schritt 5: Regelmäßigkeit
Glückwunsch! Bereits deine erste Übung hat dir zu mehr Aufmerksamkeit verholfen. Dennoch ist es wichtig, die neu gewonnene Sichtweise nicht zu verlieren, sondern sie sorgfältig und nachhaltig zu trainieren. Dazu brauchst du einfach nur diese Übung regelmäßig zu wiederholen. Natürlich kannst du sie auch auf andere Bereiche übertragen.
Achtsamkeitsmeditationen für jeden Tag
Du kannst mit jeder Tätigkeit deiner Wahl trainieren. Wenn es dir leichter fällt, in das Thema, die Übungen und Meditationen einzusteigen, wenn du eine geführte Meditation mitmachst, schau dir unseren Beitrag dazu an: Geführte Meditationen, z.B. mit YouTube oder mit Meditations-Apps.
Mittlerweile gibt es eine große Auswahl an Meditations-Apps, die dich dabei unterstützen, regelmäßig zu üben. Einige erinnern dich mit Push-Mitteilungen an deine nächste Übung. Andere ermöglichen es dir, deine Übungen und Trainings zu tracken, sodass du nach kurzer Zeit schon sehen kannst wie häufig und effektiv du geübt hast. Daran kannst du leicht erkennen, dass es nicht schwer ist, achtsam zu sein und entsprechende Übungen regelmäßig in deinen Alltag einzubinden.
Nutze Wartezeiten an der Haltestelle oder während du in der Bahn unterwegs bist, um deinen Geist achtsamer werden zu lassen. Nutze Gespräche, um dich genauer auf dein Gegenüber oder deine eigenen Antworten zu konzentrieren. Nutze die kleinen Momente, um innezuhalten und dir bewusst zu werden, wie es dir geht. Registriere deine Gedanken, deine Emotionen und wie sich dein Körper anfühlt, atme bewusst.
Keine Sorge! Selbst geübte Meditierende können nicht alle wertenden und beurteilenden Gedanken völlig loslassen. Besonders am Anfang deiner Übungen wirst du häufig Gedanken haben, die dich von deiner Konzentrationsübung ablenken. Das ist völlig normal.
Sei nicht ungeduldig mit dir selbst. Nimm diese Zustände bewusst und dankbar wahr.
Zum Weiterlesen findest du hier ähnliche Beiträge auf unserem Blog:
Für Anfänger: Ein Buch zum Eintragen, Wohlfühlen und Üben im Alltag: Stockmann, Karima: Ich bin ganz bei mir selbst. Groh, 2018.
Für Fortgeschrittene: Ein wissenschaftlich fundierter Ratgeber für die (therapeutische) Praxis: Weiss, Harrer und Dietz: Das Achtsamkeits-Buch. Klett-Cotta, 2019.
Hat dieser Text dir weitergeholfen oder dich sogar inspiriert? Oder hast du Anmerkungen, die du gerne teilen möchtest? Ich freue mich auf deine Meinung!
Katrin B. Steiner
Gründerin von {YOGA STILVOLL} und Yogalererin BDY
Meine Leidenschaft für Yoga habe ich 2006 entdeckt. 2007 entschied ich mich dazu, mich zur Hatha-Yogalehrerin ausbilden zu lassen und seitdem unterrichte ich immer wieder an verschiedenen Institutionen in Thüringen. Ich bin ein großer Fan des Sonnengrußes, den ich regelmäßig in allen Varianten praktiziere. Neben Hatha Yoga liebe ich Jivamukti Yoga! Die Wirkung von Yoga auf den Geist und Körper fasziniert mich sehr und mit meinen Texten kann ich euch an meiner Freude am Yoga teilhaben lassen.
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